The beauty of IP
2016 Studiopräsentation im Rahmen der Vienna Art Week — kuratiert von Marcello Farabegoli Projects
Ortsspezifische Installation
SCHÖNE KUNST
Anmerkungen zu Guido Kucsko
Der Philosoph Immanuel Kant unterschied einmal in eigenwilliger Weise zwischen „angenehmen“ und „schönen“ Künsten. Angenehm sind jene ästhetischen Ereignisse, die im Hintergrund ablaufen und für gute Stimmung sorgen, aber weiter nicht beachtet werden. Schön werden die Dinge dann, wenn sie unsere Aufmerksamkeit verlangen und nicht nur unsere Sinne affizieren, sondern auch unseren Verstand anregen. Schöne Kunst ist der Versuch, einer Idee einen ästhetischen Ausdruck oder eine Gestalt zu verleihen. Aber auch eine ästhetische Idee ist Produkt eines Geistes, sie muss, um ästhetisch werden zu können, in irgendeiner Weise in Erscheinung treten. Ohne materielle Gestalt aber, ohne, dass sie in eine Form gegossen wird, ohne ein Zeichen, das auf sie verweist, bleibt eine Idee nur eine Idee, unsichtbar, unerkannt, unartikuliert. Im von Immanuel Kant markierten Spannungsfeld von Idee und Erscheinung bewegt sich die Konzeptkunst des 20. Jahrhunderts, und dieses Spannungsfeld ironisch gebrochen und aufgebrochen zu haben, kennzeichnet die Arbeiten von Guido Kucsko.
Die Kunst der Moderne kennt, so die These des amerikanischen Philosophen Arthur C. Danto, im Wesentlichen nur eine Idee: die Frage Was ist Kunst? Geradezu paradigmatisch zeigen die Arbeiten von Guido Kucsko nahezu alle Facetten dieser Frage und dies in einer verblüffenden Klarheit, Präzision und Stringenz, die sich aus einem pointierten Wechselspiel von Idee und Gestalt, Schrift und Bild, Begriff und Anschauung speist. Ausgangspunkt ist das Einfache, das schwer zu machen ist: die schwarze Tafel. Diese, einmal rechteckig, dann quadratisch, einmal glatt, dann wieder konturiert, einmal extrem flach, dann wieder deutlich dreidimensional, einmal groß dimensioniert, dann wieder en miniature korrespondiert intensiv mit ihresgleichen und mit provokant fragenden Texten. Diese, Keimzellen der ästhetischen Ideen, die hier verhandelt werden, stellen allerdings keine Erläuterungen oder verbale Zusätze dar, es sind auch nicht Titel im Sinne von Bildunterschriften, sondern integraler Bestandteil des Werkes selbst. Nur aus dieser Konfrontation von Bild und Text, Form und Wort, Gestalt und Begriff, Gegenstand und Frage ergeben sich die Spannung, der Sinn und der Witz dieser raffiniert komponierten Ausstellung.
Kucskos Arbeiten können auch als ironische Kommentare zu zentralen Aspekten des zeitgenössischen Kunstbetriebs gelesen werden. Was macht einen Künstler zu einer Marke, die alles nobiliert, was der Künstler auch nur angreift („It’s a Kucsko“); wie steht es um das Verhältnis von Original und Reproduktion im Zeitalter universaler digitaler Kopierbarkeit („This ist not a digital copy“); wann wird die Schrift zum Bild und damit zu einem unverwechselbaren Werk („Is my handwriting a piece of art?“); ab wann sind Ideen urheberrechtlich geschützt („Is this panel copyright protected?“); kann ein Künstler sich selbst plagiieren oder kann er nur Kopien bzw. Varianten seines Werkes herstellen („Plagiarism Diptych“); macht Dreidimensionalität, also das Beanspruchen eines Raumes, aus einem Bild schon eine Skulptur („Is this panel an objekt or a picture?“); kann Schönheit einfach behauptet werden („This is beautiful“)? Die Pointe dieser Korrespondenzen liegt darin, dass diese Statements und Fragen nicht in einen luftleeren Raum gestellt werden und beliebig diskutiert werden könnten, sondern am Objekt, auf das sie sich beziehen, konkretisiert und beantwortet werden. So wie der Blick des Betrachters zwischen Objekt und Text hin und her wandert, bewegt sich sein Geist von einer These zu ihrer Antithese, von einem überraschenden Aha-Erlebnis zur nächsten schmunzelnden Einsicht in den komplexen Zusammenhang von Idee und Werk, von Komplexität und Einfachheit, von Einfall und Verwirklichung.
Immanuel Kant machte auch einmal die Bemerkung, dass Kunstwerke den Verstand anregen, aber letztlich von diesem nie vollständig erfasst und begriffen werden können. An zwei Tafeln mit den Titeln „Title # 1 – Is It The Title?“ und „Title # 2 – Is It The Title?“ ließe sich dies wunderbar demonstrieren. Zwei identische schwarze Rechtecke, von denen das eine „Das Prinzip Schönheit“ und das andere „Die Rache der Nacht“ im wörtlichen Sinne „enthält“ – man kann über das Verhältnis von Schönheit und Nacht, von Klarheit und Verwirrung, von Prinzipien und Rachegelüsten wahrlich ins Grübeln kommen. Wohin immer uns diese Reflexionen auch führen werden
– sie haben sich an Objekten entzündet, die Form und Intellekt, Witz und Erscheinung, Frage und Antwort auf das Schönste miteinander verbinden.
Konrad Paul Liessmann