Quanto Dura IL POTERE? — QUANTO DURA LA MEMORIA? — QUANTO DURA L´ARTE?

2018 Textinstallation an der Fassade und in der Sala dello Zodiaco, Palazzo Ducale, Mantua

Was lässt uns staunen? Was zieht tausende Touristen jeden Sommer zu diesem Palazzo? Ist es die Macht, die diese Fassade ausstrahlt wie ein Radiator in der glühenden Sonne der Stadt? Ist es die Erinnerung an die Herzogsfamilie, ihre mächtigen Mitglieder, deren Vita, die hier konserviert ist? Oder ist es die Kunst Mantegnas in der Camera degli Sposis? Es ist die Kunst, die alles überdauert, die Macht und die Erinnerung an die Macht.

WIE LANGE …?

Fassaden, zumal von historisch prägnanten Gebäuden, sind über Jahrhunderte wirksame, machtvolle Botschaftsträger; sie sind geschaffen worden, um die Aufmerksamkeit vorbeigehender Menschen auf sich zu ziehen und möglichst auch zu binden – um Botschaften der politischen, ökonomischen sowie ästhetischen Macht in einem Siedlungszusammenhang zu bestimmen. Als aktuelle touristische Sehenswürdigkeit prolongiert sich im Speziellen der ökonomische – und damit auch der politische – Machtzusammenhang. Fassaden dominieren Plätze, sie gestalten sofort entsprechende Hierarchien der Orientierung und der Subordination. Oftmals entsprechen Fassadenordnungen auch nicht der architektonischen Logik des dahinterliegenden Gebäudes, sondern präsentieren sich als eigene Bauelemente, als später angesetzte Fronten mit einer den jeweiligen zeitaktuellen kulturellen Formensprachen angenäherten Architekturform – häufig zu beobachten, wenn etwa barocke Fassaden vor im Kern mittelalterlichen Innenräumen gebaut wurden.

Fassaden sind daher niemals „unschuldig“, sondern stets verbunden mit der kommunikativen Funktion von Architektur, sie gestalten den größten Anteil der Botschaft eines Baukörpers im Sinne eines appellativen Einwirkens auf seine Umgebung – und das über einen möglichst langen Zeitraum. Sie setzen ihre Botschaften oftmals völlig unhinterfragt in die Köpfe der vielen Passanten, deren Leben sich in ihrem Schatten vollzieht – dies noch- mals intensiver, wenn sie länger betrachtet werden. Ihre Machtbotschaften sind im Zusammenhang mit „Sightseeing“ noch wirksamer.

Hier setzt die Konzeptkunst von Guido Kucsko ihre kommunikativen Alternativwege, ihre reflektiven Öffnungsverfahren und ihre neuen Gesprächsbereitschaften. Zumeist sind es zunächst eher simpel anmutende sprachliche Botschaften, die vom Künstler an Fassaden angebracht werden und zu einem kurzen Innehalten der gewohnten Sehprozesse einladen. Aus diesem ersten Innehalten kann sich allerdings ein langer Reflexionsprozess zu weit ausholenden Fragestellungen entwickeln, dessen thematische Orientierung immer grundsätzlicher wird. Die äußere Form der sprachlichen Botschaften ist im Sinne einer kühlen, distanzierten, aber auf ästhetische Wertigkeit bedachten Gestaltung gesetzt, ihre dynamische Sprengkraft liegt in den durch die Sprachbotschaften in Gang gesetzten Nachdenkprozessen – der Konzeptwirkung im Kopf des Betrachters.

Auf der Fassade eines politisch und ästhetisch so hochwirksamen Architekturkomplexes wie des Palazzo Ducale di Mantova – mit seinen über 1 000 Raumeinheiten und vielfältigsten künstlerischen Repräsentativformen – die Frage nach dem „Wie lange...?“ zu setzen, ist pure Gegenbewegung zur über Jahrhunderte aufgebauten Botschaft dieses Architekturkomplexes, der wie kaum ein anderer von realpolitischer Macht, ökonomischer Repräsentation und der angestrebten Dominanz in Fragen ästhetischer Diskussionsfelder berichtet. Der Palazzo del Capitano als zentraler Bestandteil und Haupteingang des großen Komplexes mit seiner dominanten Fassade zum größten innerstädtischen Platz ist ein Aufmerksamkeitsort mit konzentrierter Wirkung. Hier spricht der Künstler von der Dauerhaftigkeit wie auch von der Nachhaltigkeit dreier zentraler Begriffsfelder des menschlichen Lebens: „Macht“, „Erinnerung“ und „Kunst“. In einer weiteren Intervention im Innenraum unterstreicht Kucsko die Frage nach der Machtdauer. Bei längerer Betrachtung seiner Installationen, die zunächst wie museale Beschriftungen wirken, vermischen sich immer mehr Texte und Subtexte, Räume und Denkräume, die unterschiedlichen Beziehungssysteme verschiedener Zeitfelder.

Speziell interessant erscheint in diesem Zusammenhang die kommunikative Orientierung der Botschaften zwischen Individuum und Gesellschaft, auch zwischen Masse und Macht, angelehnt an die Gedankenwelt von Elias Canetti, aus der die folgenden Zitate stammen:

„Der Erfolgreiche hört nur noch Händeklatschen. Sonst ist er taub.“ „Die furchtbarsten Menschen sind die, die alles wissen und es glauben.“ „Fragen sind auf Antworten bedacht [...]“,

... die stets jeder Einzelne für sich finden muss, um sie in weiterer Folge zu sozialer Wirksamkeit führen zu können.

Peter Assmann

Direktor
Complesso Museale Palazzo Ducale di Mantova

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